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Tagebuch 4: Guttannen-Obergesteln, Mi 18.8.2010

Es eselt am Grimsel

Unschuldig steht ausgangs Guttannen geschrieben: Grimselpass, 17 Kilometer, 1100 Höhenmeter. Wie weit das ist, lässt sich erst ermessen, wenn man das selbst erwandert hat. Die Bedingungen sind ideal: Das Wetter ist frisch und trocken, pralle Heidelbeeren am Wegrand laden zum Naschen ein, und in den Waldpartien leuchten einem sogar Steinpilze entgegen! Die berüchtigten Steinstufen der Hälenplatten - sie werden von den Saumtieren tunlichst gemieden. Dafür versucht sich eine Gruppe von Säumern und Saumtieren unterhalb Räterichsboden am direkten Bergweg - mit Mühe, aber auch mit Erfolg. Dann trennen sich Wanderer und Säumer, denn den Pferden ist der weitere Wanderweg nicht zuzumuten, sie müssen über einige Zeit auf die Strasse ausweichen. Da prallen die Zeiten also aufeinander - der Langsamverkehr des Säumertrosses muss mit allerlei Verkehrsregelungen vom Schnellverkehr der Töffs und Autos getrennt werden. Der Pass ist greifbar, aber er «eselt», wie man mundartlich sagt. Das heisst, er scheint näher, als er ist. So treffen Saumtiere und  Säumer um 13.30 auf dem Pass ein - nach sechseinhalb Stunden harter gemeinsamer Arbeit.

Bei der Hälenplatte oberhalb der Handeck.
Abstecher in die Moderne: Beim Räterichsboden-Stausee.

Da bleibt schon die Frage, warum sich die Säumer über Jahrhunderte hinweg diese Mühe gerade dreimal angetan haben - über Brünig, Grimsel und Gries - zumal der Gotthard kürzer war und vor allem nur ein Auf- und Abstieg nötig war. Zwei Gründe mögen wesentlich gewesen sein: Die Sbrinz-Route war billiger, und man durfte als Säumer die Waren direkt über die ganze Strecke bringen. Am Gotthard herrschte ein anderes Regime: Es gab Säumergenossenschaften, die ihre Waren nur innerhalb ihrer Grenzen transportieren konnten, und der Etappenverkehr war streng organisiert. Dazu kam natürlich, dass vor allem die Berner auch am Transithandel teil haben und vorab den Salzhandel kontrollieren wollten. Fakt ist aber, dass die eigentliche Marktmacht nicht nördlich, sondern südlich der Alpen lag. Mailand war lange Zeit dreissig Mal grösser als Zürich und brauchte die Westalpen als sein Weidegebiet und Viehlieferant. Der Konsumhunger des Südens war also riesig, und trotz der beschränkten Belastbarkeit der Saumtiere waren die Säumerei ein recht effizientes Transportsystem. Interessant ist indes, dass sich dieses System zwar in den Westalpen, nicht aber in den Ostalpen durchgesetzt hat. Dort wurden - bedingt durch den tieferliegenden Brennerpass und zentralistische Agrarstrukturen schon sehr früh Fuhrwerke eingesetzt.

Das alles kümmert unsere Säumertruppe indes wenig, so wenig wie die bewegte Geschichte des Grimselpasses selbst, wo 1799 napoleonische Soldaten in grosser Zahl gefallen sind und wo das historische Grimselhospiz seinen Platz auf dem Grund des Stausees zugeteilt bekommen hat. Nach gut zwei Stunden erleichternden Abstieges steht der nächste Dorfeinzug in Obergesteln an, dem Dorf also, dessen Häuser im Gegensatz zum übrigen Goms aus Stein gebaut sind. Denn Obergesteln ist zweimal abgebrannt, und da befahl die Regierung, nun mit Stein zu arbeiten. Aber das taten nicht die Einheimischen, sondern Italiener, die als Fremdarbeiter über den Griespass kamen. Dahin wird die Säumer-Tour weiterziehen, aber nicht ohne ein erholendes Nachtlager mit Speis und Trank im schönen Goms.

Einzug in Obergesteln.