Die geschichtliche Entwicklung der Sbrinz-Route

    Ausschnitt aus der Bodmer-Haslitalkarte um 1710

    Schon im Altertum muss die Grimsel als Übergang benutzt worden sein. Römische und keltische Funde, an der Kirchet, Ägerstein und Wyler, weisen darauf hin. Im frühen Mittelalter wurde der Pass in kriegerische Geschehnisse einbezogen. Der Herzog von Zähringen soll sich im Jahr 1211 mit seinem Heer, nach einer Niederlage im Wallis, über den Pass ins Berner Oberland zurückgezogen haben.

    Bis ins 19.Jahrhundert gehörte der Grimselpass zu den wichtigsten transalpinen Handels-Routen. Im Doppelgespann mit dem Griesspass war er über viele Jahrhunderte die westliche Alternative zu dem bedeutenderen Gotthardpass. Vor allem die regionalen Produkte, wie der Sbrinz-Käse, gaben der Route über Grimsel-Gries eine besondere Bedeutung. Zusammen mit dem Brünigpass verband sie die Märkte der Innerschweiz mit der Lombardei und dem Piemont in Italien.

    Raron Handel im 15.Jahrhundert

    Das erste urkundliche Zeugnis des Grimselpasses als Verkehrsweg stammt aus dem Wallis und wurde um 1325 verfasst. Auch das erste Grimselspittel, als Stützpunkt für die Reisenden, muss in dieser Zeit erbaut worden sein. Im 15. Jahrhundert wurden die Handelsbeziehungen zwischen Bern und Wallis schwer gestört, als sich die Berner in den sogenannten Raronhandel einmischten. In der Folge wurde die Grimselroute gesperrt und es kam sogar zu einem kriegerischen Einfall ins Wallis, bei dem sich die Berner jedoch wieder zurückziehen mussten. In einem Schiedsspruch von 1420 konnte der Konflikt bereinigt werden.

    Noch zu Beginn des 19.Jahrhunderts war die Grimsel Kriegsschauplatz zwischen Österreichern und Franzosen. Im Jahr 1799 eroberte ein französisches Heer den von Österreichern besetzten Pass zurück, indem sie, durch eine raffinierte, getarnte Umgehung, die von einem Oberhasler geleitet wurde, den Österreichern auf der Walliser Seite in den Rücken fielen.

    Walliser Krieger auf dem Brünig

    Auch vom Brünigpass gibt es einige historische Belege, die bis ins Jahr 1304 zurückreichen. Es handelt sich dabei um verschiedene Vereinbarungen über gegenseitige Ansprüche, Besitztümer und Schutzbündnisse, zwischen Obwaldnern und Oberhaslern. Meiringen war ein wichtiger Handels-Knotenpunkt, an dem sich die Brünig-Route mit dem Handelsweg aus Westen, vom Thuner- und Brienzersee kommend, kreuzten. Bedeutung erlangte der Brünigpass auch zur Zeit der Entstehung der Eidgenossenschaft, als Innerschweizer Kriegsheere in die Region um Bern zogen. In den schwierigen Zeiten der Reformation (1528) kam es um den Brünig öfters zu Spannungen, Behinderungen und später sogar zu Sperrungen (1477 u. 1712).

    Historische Spuren sind noch bei der Letzi (ehemalige Sperrmauer) an der oberen Brünigpassstrasse erkennbar. Jahrhundertelang war die Brünig-Route auch eine wichtige internationale Pilgerstrasse vom Bodensee über den Genfersee nach Santiago de Compostela in Spanien. Als bedeutender Wallfahrtsort galt der Pilgerort St. Beat am Thunersee, der jedoch in der Reformation geschlossen wurde.

    Grimsel-Hospiz um 1786 (Kupferstich Michel)

    Neben den Säumern wurde die Sbrinz-Route über die Alpenpässe von Älplern, Händlern, Handwerkern, Pilgern, Jägern, Strahlern, Kriegern, sowie Reisläufern begangen und das zeitweise auch im Winter. Aber nicht nur Reisende aus den Alpenregionen waren damals unterwegs, sondern auch italienische Händler aus Mailand, Genua und Florenz. Diese hatten z.B. in Meiringen eine ständige Vertretung italienischer Waren. Über die Pässe wurde eine breite Palette von Gütern transportiert, z.B. Salz, Zucker, Wein, Käse, Reis, Mais, Öl, Wolle, Tuch, Leder und Rindvieh.

    Der Vertrag von 1397

    Weil die Kaufleute an sicheren Verkehrswegen und politisch stabilen Verhältnissen am Weg über die Alpen interessiert waren, vereinbarten 1397 Bern, das Kloster Interlaken, das Haslital, das Obergoms sowie die Bewohner des oberen Eschentals den Ausbau des Saumweges über die Pässe Grimsel und Gries. So wollten sie eine transalpine Achse bauen. Davon profitierten schnell auch die Händler aus dem Norden, aus Zürich und Luzern, die nun ihrerseits in Ergänzung zum Gotthard auch den Weg durch Ob- oder Nidwalden wählten. Damit begann auch der Aufschwung des Brünig-Passes, an dem Funde aus dem 7.Jahrhundert v. Chr. mit bronzenen Lanzenspitzen beweisen, dass sich hier schon in prähistorischer Zeit Menschen aufgehalten haben.

    Grimsel-Saumweg um 1843 (G.Barnard)

    Bedeutend auf dieser Route war insbesondere der Transport von Salz aus dem Tirol, das via Bodensee und Zürichsee nach Ob- und Nidwalden kam. In der frühen Neuzeit wurden dann die Pässe von Unterwalden aus zur Exportroute für den Sbrinz-Käse, der auf den Alpen des östlichen Oberlandes und des Entlebuchs sowie Unterwaldens hergestellt wurde und immer noch wird.

     

     

    Gleichzeitig mit der Besetzung der Leventina im Jahre 1403 schlossen Uri, Luzern und Unterwalden (heute Ob- und Nidwalden) mit dem Wallis ein Burg- und Landrecht. In diesem wurde insbesondere die Lieferung des für Mensch, Tier und zur Lagerung von Lebensmitteln wichtigen Salzes erwähnt.

    Zwischen dem Engelbergertal, und dem Haslital bestanden schon seit dem Mittelalter enge Beziehungen. Verbindungen zum Wallis, die auf kirchlicher Ebene durch die Klöster unterhalten wurden, gehen bis ins 13.Jahrhundert zurück. Der Jochpass wurde als kürzester Weg von Engelberg in den Süden benützt. Umgekehrt hinterliess die Reformation hier ihre Spuren durch kriegerische Auseinandersetzungen, an der Grenze zwischen Protestanten und Katholik

    Kupferstich vom Ladsteg im Aeginental

    Der Griespass, obwohl bis 1860 vergletschert, wurde schon früh benutzt. Darum erstaunt es auch nicht, dass sich bereits im 13. Jahrhundert im Pomatt (oberes Eschental / Val Formazza) die ersten deutschsprachigen Einwanderer (die Valser) aus dem Wallis ansiedelten und bald schon über eine grosse Eigenständigkeit verfügten. Mit der später nach und nach verstärkten Einbindung in den italienischen Staat verschwand dann die deutsche Sprache im 20. Jahrhundert weitgehend.

    Der Untergang der Säumerei

    Mit dem Bau der ersten Fahrstrassen über die Alpen (Simplon 1806, Splügen 1822, Gotthard 1830) verlor die Säumerei weitgehend an wirtschaftlicher Bedeutung, bis sie nach dem Bau des Gotthardbahn (1882) endgültig dahinfiel. Bereits früher kam die Säumerei auf der Brünigstrecke zum Erliegen. Im regionalen Warenaustausch über Gries und Grimsel konnte sie sich noch bis in die 1880er Jahre halten, bis sie schliesslich ganz in Vergessenheit geriet.

    Grimsel-Hospiz um etwa 1840...
    und um 1900

    Am Grimselpass dauerte es noch mehrere Jahrzehnte, bis eine Fahrstrasse über die Grimsel gebaut wurde. Nach der Fertigstellung der Strasse 1894 diente diese Verbindung dem aufkommenden Tourismus. Mit dem Bau der Stauwerke (KWO) ist der Grimsel-Spittel (altes Hospiz) im Wasser des Stausees verschwunden. Manchmal, bei sehr niedrigem Wasserstand im Frühsommer, tauchen die alten Gebäudefundamente und Teile der früheren Postkutschenstrasse aus dem ursprünglichen, kleinen Grimselsee wieder auf.

    Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die alten Saumwege durch den Bau der «Kunststrassen», den heutigen Passstrassen, ersetzt und vielfach aufgelassen. Im besseren Fall überlebten sie in einer Funktion als Wanderweg, teilweise werden sie heute in ihrem kulturhistorischen Wert wieder entdeckt und fachgerecht instandgestellt.

    Saumweg unterhalb Räterichsboden

    Die Eisenbahn löste die Säumerei ab

    Im Jahre 1882, mit der Eröffnung der Gotthardbahn, änderte sich auch für die Sbrinz-Route und die damit verbundene Säumerei, sowie für die in den Bergtälern lebende Bevölkerung alles schlagartig: Eisenbahntransporte lösten die Säumerei ab. Nach und nach kam auch die Säumerei an der Sbrinz-Route zum Erliegen, bis sie schliesslich ganz in Vergessen- heit geriet.